Dienstag, 24. Juli 2012

Michael Oehme, DocuWare AG: PR-Krisenmanagement verlangt professionelle Vorgehensweise


„Viel mehr Unternehmen als man meint, waren schon einmal Gegenstand einer kritischen Medienberichterstattung“, so Michael Oehme, Consultant bei der Schweizer DocuWare AG. Wegducken helfe da nicht.
                                                                                                

Wer mit dem Unternehmen oder einem Produkt in die Schieflage gerät, wird nicht selten von Seiten der Presse kritisch beäugt. Gerade, wenn zuvor keine aktive Pressearbeit geleistet und ein Vertrauensverhältnis zu wichtigen Journalisten aufgebaut wurde, kann es sein, dass diese die Darstellung der Situation überziehen und neben der korrekten Beschreibung der tatsächlichen Probleme auch noch falsche Dinge schreiben.

Dabei sind es viel mehr Unternehmen, als man annimmt, die in der Vergangenheit Probleme mit der Presse hatten. „Zwei Drittel der Unternehmen seien schon einmal in einer Krise oder einem Konflikt Gegenstand von Medienberichten geworden“, zitiert der renommierte PR-Berater Dr. Rainer Zitelmann den Medienwissenschaftler Professor Hans Mathias Kepplinger in seinem sehr lesenswerten Buch „Kommunikation ist Chefsache“. Dabei gilt: Wenngleich zumeist etwas dünnhäutige Manager meinen, der Journalist überziehe in der Darstellung bewusst, um dem Unternehmen zu schaden, sollte man Ruhe bewahren, auch wenn die Emotionen hochkochen. Es ist nicht nur die Pflicht eines Journalisten, kritische Situationen zu beschreiben - was einem Unternehmen natürlich nicht gefallen kann -, es ist auch sein Job und nur ein ganz kleiner Bruchteil der Journalisten geht auch wirklich mit einer gewissen Emotion an die Sache. In der Regel dominieren Fakten, die alleine schon deshalb stimmen müssen, da ansonsten die Chefredaktion oder im Zweifel die Rechtsabteilung den Beitrag aus dem Blatt werfen. Auf großartige juristische Auseinandersetzungen haben nämlich die wenigsten Medien Lust. Als Mediator bei mehreren Auseinandersetzungen zwischen Kapitalmarktunternehmen und der Presse, kann PR-Profi Michael Oehme dies bestätigen: „Ist ein Vorgang erst einmal bei der Rechtsabteilung, ist das Tischtuch meist zerrissen.

 Man sollte gerade bei Krisensituationen daher lieber den offenen Dialog suchen und sich hierbei an Vorgaben halten, die von PR-Spezialisten empfohlen werden.“  Dazu gehören die sofortige Kontaktaufnahme nach kritischen Berichten durch die Geschäftsleitung und die nicht den Anwalt, die Vereinbarung eines Termins, bei dem die Hintergründe aufgezeigt werden - ohne den Journalisten anzugreifen -  und zwar unverblümt, nicht beschönigend, sondern ausschließlich an den Fakten orientiert. „Die Wahrheit ist der beste Trick“, schreibt Zitelmann. Dieser Aussage kann man sich nur anschließen. Den Managern oder Geschäftsführern der „angeschossenen“ Unternehmen kann es dabei nur darum gehen, eine Vertrauensbasis zu schaffen, um in einer kritischen Situation auch wirklich Gehör zu finden und somit berücksichtigt zu werden. „Abzutauchen, um abzuwarten, bis das Gewitter vorbeigezogen ist, da sind sich alle Profis einig, ist genauso sinnvoll wie der Versuch, die Uhr anzuhalten, um Zeit zu sparen“, so Michael Oehme.

Und noch eines ist im Zusammenhang mit Unternehmenskommunikation wichtig: Nach der Krise ist vor der Krise. Wer eine kontinuierliche Pipeline zu Redaktionen und Journalisten schafft, hat nicht nur die Möglichkeit, bei Problemen Gehör zu finden, sondern auch dann, wenn es etwas Interessantes zu berichten gibt. Kommunikation sollte daher als wichtiger Teil der Unternehmensführung verstanden werden.   

Dienstag, 17. Juli 2012

Internet: Vorsicht vor stiller Post


Interview mit Philipp von Mettenheim und Michael Oehme


 

Philipp von Mettenheim

Ohne Internet können wir uns das Leben und erst recht das Geschäftsleben nicht mehr vorstellen. Doch wie so oft liegen Freud und Leid eng beieinander. Wer unberechtigte Negativeinträge gegen sich wirken lassen muss, weiß ein Lied davon zu singen. finanzwelt unterhielt sich mit dem Hamburger Presse- und Medienanwalt Philipp von Mettenheim sowie dem Kommunikationsexperten Michael Oehme über mögliche Abwehrstrategien.
finanzwelt: Immer mehr Marktteilnehmer klagen über unberechtigte, meist anonyme Medienkampagnen. Wie erklären Sie sich das?
Oehme: Hier kommen zwei Phänomene zusammen: die Verbreitung einer Botschaft und anonyme Mitläufer, die offenbar persönliche Genugtuung daraus ziehen, derartige Hinweise zu begleiten. Da das Ganze anonym erfolgt, fühlen sich einige ganz offenbar darin bestärkt, ihren Emotionen freien Lauf zu lassen. Das muss dann nicht einmal mit dem konkreten Anlass zu tun haben, sondern ist oftmals nur Katalysator für Frust.
finanzwelt: Hat das noch mit Meinungsfreiheit zu tun?
Oehme: Um es vorweg zu schicken: Ich bin natürlich ein absoluter Vertreter der Meinungsfreiheit als eines der wichtigsten Privilegien in unserem Rechtsstaat. Aber hat es mit Meinungsfreiheit zu tun, wenn ich über jemanden etwas behaupten darf, der sich kaum wehren kann, und ohne für die Konsequenzen geradezustehen?
finanzwelt: Ist es wirklich so schwer, an die Verfasser derartiger Beiträge heranzukommen?
von Mettenheim: Grundsätzlich haften Verfasser von Onlinebeiträgen für deren Inhalt. Das Problem ist, dass sie regelmäßig anonym bleiben. Es gibt keinen Auskunftsanspruch gegen den Betreiber eines Forums/Blogs auf Nennung des Namens eines Verfassers. Der Versuch, einen Verfasser in Haftung zu nehmen, scheitert also in der Tat meist an der Anonymität.
finanzwelt: Welche Schritte kann man denn dann einleiten?
von Mettenheim: Es bleibt der Weg, den Forenbetreiber selbst in Haftung zu nehmen. Das ist ohnehin regelmäßig besser, denn er ist schließlich der eigentliche Verbreiter eines Beitrages. Ein Forenbetreiber ist für fremde Inhalte verantwortlich, wenn er von deren Rechtswidrigkeit Kenntnis hat oder sie sich zu eigen macht. In beiden Fällen kann von ihm die Löschung rechtswidriger Inhalte verlangt werden. Betreiber deutscher Foren/Blogs lassen sich über das Impressum oder die Denic ermitteln. Der Durchsetzung von Ansprüchen vor deutschen Gerichten steht also nichts mehr im Wege.
finanzwelt: Und wenn man nicht auf den ersten Blick ermitteln kann, wer denn hinter dem Forum steht?
von Mettenheim: Ist auch der Betreiber eines Forums/Blogs anonym, können sich Betroffene rechtswidriger Inhalte an den Hostprovider wenden. Der Hostprovider ist derjenige, der dem Betreiber eines Forums oder Blogs Speicherplatz zur Verfügung stellt. Dieser kann für Inhalte auf Foren oder Blogs verantwortlich gemacht werden, wenn er Kenntnis von dem rechtsverletzenden Inhalt hat (sog. Störerhaftung). Der BGH hatte über die Prüf- und Löschungspflichten eines kalifornischen Hostproviders eines Blogs in seinem Urteil vom 25. Oktober 2011 zu befinden. Die deutsche Gerichtsbarkeit war wegen des deutlichen Inlandsbezuges der Beiträge in dem Blog zuständig.
finanzwelt: Wir haben gehört, dass es oft sehr schwer ist, entsprechende Einträge aus dem Internet zu löschen, auch wenn der Forenbetreiber „willig“ ist. Woran liegt das?
Oehme: Oft entsteht nach Veröffentlichung ein gewollt dynamischer Prozess. Foren arbeiten mit Verlinkungen. Plötzlich befindet sich Ihr Text auf völlig fremden Internetseiten, bei denen Löschanträge oftmals mit hohen Kosten verbunden sind. Hier fängt nun das eigentliche Problem an. Möglicherweise kann man keinen Kontakt zum Webmaster einer Website aufnehmen, da dieser im Ausland sitzt oder sich weigert, den betreffenden Content von der Website zu entfernen. Wenn beispielsweise jemand auf einer Website negativ über Ihr Unternehmen postet, ist diese Website möglicherweise nicht bereit, den Bericht zu entfernen. Wenn Sie nicht erreichen können, dass der Content von der ursprünglichen Website entfernt wird, gelingt es Ihnen mit hoher Wahrscheinlichkeit auch nicht, den Content vollständig aus den Suchergebnissen zu entfernen. Und selbst wenn, kann es lange dauern, bis dieser Eintrag nicht mehr zu lesen ist. Hier sollte man gegenagieren und die Präsenz des Berichts in den Suchergebnissen reduzieren, indem man nützliche positive Informationen veröffentlicht – und zwar auf geeigneten seriösen Foren und Plattformen.
finanzwelt: Oft ist man ja auch motiviert, selbst tätig zu werden und auf den Eintrag zu antworten …
von Mettenheim: Das ist genau das, was derjenige provozieren will, der Sie gerade anonym abstraft: Es zeigt sich immer wieder, dass von rechtswidrigen Foren- oder Bloginhalten Betroffene versuchen, durch eigene Stellungnahmen oder (etwa in Bewertungsportalen) durch eigene, ebenfalls anonym verfasste, aber positive Beiträge Einfluss auf den Inhalt des Forums/Blogs zu nehmen oder negative Beiträge „nach hinten“ zu drängen. Das hat regelmäßig zur Folge, dass sich die Diskussionen auf Foren und in Blogs erheblich ausweiten. Das ist kontraproduktiv. Auf dem Forum selbst sollten Beiträge überhaupt nicht kommentiert werden. Während bekannte Verfasser von Beiträgen sofort abgemahnt werden können, sollten Betreiber eines Forums oder Hostprovider unter genauer Darlegung der rechtsverletzenden Inhalte angeschrieben und aufgefordert werden, diese betreffenden Inhalte zu entfernen. Erst dann ergeben sich Prüfpflichten für den Betreiber eines Forums oder den Hostprovider und erst dann können sie, kommen sie der Aufforderung auf Löschung nicht nach, als Störer vor den Gerichten erfolgreich in Anspruch genommen werden.
finanzwelt: Was ist denn bei strafrechtlich relevanten Vorwürfen?
von Mettenheim: Sind Inhalte auf Foren oder in Blogs von strafrechtlicher Relevanz, dann kann es sinnvoll sein, gleich Strafanzeige zu erstatten. Der Vorteil hierbei ist, dass Staatsanwaltschaften bei einem entsprechenden Anfangsverdacht Ermittlungen aufzunehmen haben. Als Betroffener kann man dann im Wege der Akteneinsicht an Informationen, etwa die Identität eines anonymen Verfassers, gelangen. Dann kann dieser persönlich vor den Gerichten in vollem Umfange in Haftung genommen werden.

Zur Löschung eines Beitrages schreibt der BGH a.a.O.:
a) Nimmt ein Betroffener einen Hostprovider auf Unterlassung der Verbreitung einer in einem Blog enthaltenen Äußerung eines Dritten in Anspruch, weil diese das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletze, setzt die Störerhaftung des Hostproviders die Verletzung zumutbarer Prüfpflichten (des Hostproviders) voraus.
b) Der Hostprovider ist erst verantwortlich, wenn er Kenntnis von der Verletzung des Persönlichkeitsrechts erlangt. Dies setzt voraus, dass die Beanstandung des Betroffenen so konkret gefasst ist, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptungen des Betroffenen unschwer bejaht werden kann.
c) Eine Verpflichtung (des Hostproviders) zur Löschung des beanstandeten Eintrages besteht, wenn auf der Grundlage der Stellungnahme des für den Blog Verantwortlichen (der Betreiber) und einer etwaigen Replik des Betroffenen unter Berücksichtigung etwa zu verlangender Nachweise von einer rechtswidrigen Verletzung des Persönlichkeitsrechts auszugehen ist.
 
Quelle:fin@anzwelt online 3/2012