Interview
mit Philipp von Mettenheim und Michael Oehme
Philipp von Mettenheim
Ohne
Internet können wir uns das Leben und erst recht das Geschäftsleben nicht mehr
vorstellen. Doch wie so oft liegen Freud und Leid eng beieinander. Wer
unberechtigte Negativeinträge gegen sich wirken lassen muss, weiß ein Lied
davon zu singen. finanzwelt unterhielt sich mit dem Hamburger Presse- und
Medienanwalt Philipp von Mettenheim sowie dem Kommunikationsexperten Michael
Oehme über mögliche Abwehrstrategien.
finanzwelt: Immer mehr Marktteilnehmer klagen über unberechtigte,
meist anonyme Medienkampagnen. Wie erklären Sie sich das?
Oehme: Hier kommen zwei Phänomene zusammen: die Verbreitung
einer Botschaft und anonyme Mitläufer, die offenbar persönliche Genugtuung
daraus ziehen, derartige Hinweise zu begleiten. Da das Ganze anonym erfolgt,
fühlen sich einige ganz offenbar darin bestärkt, ihren Emotionen freien Lauf zu
lassen. Das muss dann nicht einmal mit dem konkreten Anlass zu tun haben,
sondern ist oftmals nur Katalysator für Frust.
finanzwelt: Hat das noch mit Meinungsfreiheit zu tun?
Oehme: Um es vorweg zu schicken: Ich bin natürlich ein
absoluter Vertreter der Meinungsfreiheit als eines der wichtigsten Privilegien
in unserem Rechtsstaat. Aber hat es mit Meinungsfreiheit zu tun, wenn ich über
jemanden etwas behaupten darf, der sich kaum wehren kann, und ohne für die
Konsequenzen geradezustehen?
finanzwelt: Ist es wirklich so schwer, an die Verfasser
derartiger Beiträge heranzukommen?
von
Mettenheim: Grundsätzlich haften Verfasser von
Onlinebeiträgen für deren Inhalt. Das Problem ist, dass sie regelmäßig anonym
bleiben. Es gibt keinen Auskunftsanspruch gegen den Betreiber eines
Forums/Blogs auf Nennung des Namens eines Verfassers. Der Versuch, einen
Verfasser in Haftung zu nehmen, scheitert also in der Tat meist an der
Anonymität.
finanzwelt: Welche Schritte kann man denn dann einleiten?
von
Mettenheim: Es bleibt der Weg, den
Forenbetreiber selbst in Haftung zu nehmen. Das ist ohnehin regelmäßig besser,
denn er ist schließlich der eigentliche Verbreiter eines Beitrages. Ein
Forenbetreiber ist für fremde Inhalte verantwortlich, wenn er von deren
Rechtswidrigkeit Kenntnis hat oder sie sich zu eigen macht. In beiden Fällen
kann von ihm die Löschung rechtswidriger Inhalte verlangt werden. Betreiber
deutscher Foren/Blogs lassen sich über das Impressum oder die Denic ermitteln.
Der Durchsetzung von Ansprüchen vor deutschen Gerichten steht also nichts mehr
im Wege.
finanzwelt: Und wenn man nicht auf den ersten Blick ermitteln
kann, wer denn hinter dem Forum steht?
von
Mettenheim: Ist auch der Betreiber eines
Forums/Blogs anonym, können sich Betroffene rechtswidriger Inhalte an den
Hostprovider wenden. Der Hostprovider ist derjenige, der dem Betreiber eines
Forums oder Blogs Speicherplatz zur Verfügung stellt. Dieser kann für Inhalte
auf Foren oder Blogs verantwortlich gemacht werden, wenn er Kenntnis von dem
rechtsverletzenden Inhalt hat (sog. Störerhaftung). Der BGH hatte über die
Prüf- und Löschungspflichten eines kalifornischen Hostproviders eines Blogs in
seinem Urteil vom 25. Oktober 2011 zu befinden. Die deutsche Gerichtsbarkeit
war wegen des deutlichen Inlandsbezuges der Beiträge in dem Blog zuständig.
finanzwelt: Wir haben gehört, dass es oft sehr schwer ist,
entsprechende Einträge aus dem Internet zu löschen, auch wenn der
Forenbetreiber „willig“ ist. Woran liegt das?
Oehme: Oft entsteht nach Veröffentlichung ein gewollt
dynamischer Prozess. Foren arbeiten mit Verlinkungen. Plötzlich befindet sich
Ihr Text auf völlig fremden Internetseiten, bei denen Löschanträge oftmals mit
hohen Kosten verbunden sind. Hier fängt nun das eigentliche Problem an.
Möglicherweise kann man keinen Kontakt zum Webmaster einer Website aufnehmen,
da dieser im Ausland sitzt oder sich weigert, den betreffenden Content von der
Website zu entfernen. Wenn beispielsweise jemand auf einer Website negativ über
Ihr Unternehmen postet, ist diese Website möglicherweise nicht bereit, den
Bericht zu entfernen. Wenn Sie nicht erreichen können, dass der Content von der
ursprünglichen Website entfernt wird, gelingt es Ihnen mit hoher
Wahrscheinlichkeit auch nicht, den Content vollständig aus den Suchergebnissen
zu entfernen. Und selbst wenn, kann es lange dauern, bis dieser Eintrag nicht
mehr zu lesen ist. Hier sollte man gegenagieren und die Präsenz des Berichts in
den Suchergebnissen reduzieren, indem man nützliche positive Informationen
veröffentlicht – und zwar auf geeigneten seriösen Foren und Plattformen.
finanzwelt: Oft ist man ja auch motiviert, selbst tätig zu werden
und auf den Eintrag zu antworten …
von
Mettenheim: Das ist genau das, was derjenige provozieren
will, der Sie gerade anonym abstraft: Es zeigt sich immer wieder, dass von
rechtswidrigen Foren- oder Bloginhalten Betroffene versuchen, durch eigene
Stellungnahmen oder (etwa in Bewertungsportalen) durch eigene, ebenfalls anonym
verfasste, aber positive Beiträge Einfluss auf den Inhalt des Forums/Blogs zu
nehmen oder negative Beiträge „nach hinten“ zu drängen. Das hat regelmäßig zur
Folge, dass sich die Diskussionen auf Foren und in Blogs erheblich ausweiten.
Das ist kontraproduktiv. Auf dem Forum selbst sollten Beiträge überhaupt nicht
kommentiert werden. Während bekannte Verfasser von Beiträgen sofort abgemahnt
werden können, sollten Betreiber eines Forums oder Hostprovider unter genauer
Darlegung der rechtsverletzenden Inhalte angeschrieben und aufgefordert werden,
diese betreffenden Inhalte zu entfernen. Erst dann ergeben sich Prüfpflichten
für den Betreiber eines Forums oder den Hostprovider und erst dann können sie,
kommen sie der Aufforderung auf Löschung nicht nach, als Störer vor den Gerichten
erfolgreich in Anspruch genommen werden.
finanzwelt: Was ist denn bei strafrechtlich relevanten Vorwürfen?
von
Mettenheim: Sind Inhalte auf Foren oder in
Blogs von strafrechtlicher Relevanz, dann kann es sinnvoll sein, gleich
Strafanzeige zu erstatten. Der Vorteil hierbei ist, dass Staatsanwaltschaften
bei einem entsprechenden Anfangsverdacht Ermittlungen aufzunehmen haben. Als
Betroffener kann man dann im Wege der Akteneinsicht an Informationen, etwa die
Identität eines anonymen Verfassers, gelangen. Dann kann dieser persönlich vor
den Gerichten in vollem Umfange in Haftung genommen werden.
Zur Löschung
eines Beitrages schreibt der BGH a.a.O.:
a) Nimmt ein Betroffener einen
Hostprovider auf Unterlassung der Verbreitung einer in einem Blog enthaltenen
Äußerung eines Dritten in Anspruch, weil diese das Persönlichkeitsrecht des
Betroffenen verletze, setzt die Störerhaftung des Hostproviders die Verletzung
zumutbarer Prüfpflichten (des Hostproviders) voraus.
b) Der Hostprovider ist erst
verantwortlich, wenn er Kenntnis von der Verletzung des Persönlichkeitsrechts
erlangt. Dies setzt voraus, dass die Beanstandung des Betroffenen so konkret
gefasst ist, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptungen des
Betroffenen unschwer bejaht werden kann.
c) Eine Verpflichtung (des
Hostproviders) zur Löschung des beanstandeten Eintrages besteht, wenn auf der
Grundlage der Stellungnahme des für den Blog Verantwortlichen (der Betreiber)
und einer etwaigen Replik des Betroffenen unter Berücksichtigung etwa zu verlangender
Nachweise von einer rechtswidrigen Verletzung des Persönlichkeitsrechts
auszugehen ist.
Quelle:fin@anzwelt online 3/2012
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen