Mittwoch, 22. Mai 2013

Michael Oehme: Gute Zeiten für den Fiskus – schlechte Zeiten für die Anleger?

Wie der Abstieg vom Staatschuldenberg gelingen kann

Vieles deutet darauf hin, dass wir eine Ära der finanziellen Repression bekommen. Denn die „finanzielle Repression“ ist in aller Munde. Hierbei handelt es sich um einen sehr theoretischen Begriff. Noch vor einem halben Jahr konnten sich 80 Prozent der Menschen darunter nichts Konkretes vorstellen. Durch eine verstärkte mediale Berichterstattung sind nun mehr Menschen sensibilisiert. Als finanzielle Repression bezeichnet man eine Reihe von Zwangsmaßnahmen, mit denen Staaten ihre Finanzierungskosten künstlich niedrig halten. Der Begriff wurde 1973 von den Ökonomen Ronald McKinnon und Edward Shaw eingeführt. Zur finanziellen Repression haben Staaten in der Vergangenheit gegriffen, wenn sie ihre hohe Verschuldung nicht allein durch Inflation und fiskalische Sparmaßnahmen abbauen konnten. Staaten bevorzugen die finanzielle Repression, weil sie leichter durchsetzbar ist als Ausgabenkürzungen und Abgabenerhöhungen. Das Ziel der Maßnahmen ist der Zugang zu frischem Kapital zu Konditionen, die am freien Markt nicht zu erreichen wären. Daher wird in den Markt eingegriffen, damit Staatsanleihen trotz niedriger Zinsen weiterhin Abnehmer finden. Werden die niedrigen Zinsen durch die Inflation aufgezehrt, dann resultieren daraus negative Realzinsen. Durch sie erleiden die Anleger Kaufkraft- und Kapitalverluste. Diese Verluste der Anleger reduzieren effektiv die Staatsschulden und sind das Motiv der finanziellen Repression.


Weltweit drehen die Zentralbanken ihre Geldhähne immer weiter auf. Die Staatsschulden Deutschlands lagen Ende 2012 bei über 80 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP). Damit gehört die Bundesrepublik zu den Vorbildern des Euroraums, aber auch sie verletzt das Maastrichter Schuldenkriterium von maximal 60 Prozent deutlich. Es bleibt einiges zu tun, um die Verschuldungssituation zu verbessern. Der Mechanismus der finanziellen Repression ist einfach: Wächst eine Volkswirtschaft stärker als die auf den öffentlichen Schulden liegende Zinslast, dann kann sie aus den Schulden herauswachsen. Doch die Kehrseite der Medaille sind dazugehörende niedrige, negative Realzins nach Abzug der Inflation.

Die USA sind das historische Vorzeigebeispiel für finanzielle Repression: Da sie längst an der Schuldenobergrenze angekommen sind, wird in einem weiteren Schritt auch für sie die Wirkung dieser lautlosen Entschuldung untersucht. Hier ein Fallbeispiel für Deutschland:

BEISPIEL 1:
  • Ein zukünftiges, langjähriges (strukturelles) Wachstum von 1,5 Prozent pro Jahr,
  • eine durchschnittliche Rendite auf die Staatsanleihen über alle Laufzeiten von 2 Prozent und
  • ein ausgeglichener Primarhaushalt – das heißt ein öffentlicher Haushalt, bei dem lediglich die staatlichen Ausgaben den Einnahmen gegenübergestellt werden, ohne Zins- und Tilgungsleistungen zu berücksichtigen.

Konkret für Deutschland knüpfen 1,5 Prozent BIP-Wachstum an den Durchschnitt der vergangenen Jahre an. Dabei werden die zwischenzeitlichen Boom-Jahre ausgeklammert, da mit einer Wiederholung dieser Wachstumsraten gerade im Kontext der Entschuldung kaum zu rechnen ist. Die durchschnittliche Rendite liegt über der aktuellen Rendite für 10-jahrige Bundesanleihen (Stand: Mai 2013). Zu einem Teil wird dies der Rendite von Anleihen mit längerer Laufzeit (und höherer Rendite) geschuldet. Zum überwiegenden Teil wird aber unterstellt, dass es zumindest zu einer ansatzweise Normalisierung der Magerrenditen über die Jahre kommen kann – dann wenn sich zum Beispiel die Lage im Euroraum mehr und mehr stabilisiert. Im historischen Kontext wäre diese Rendite aber immer noch niedrig. Zum Vergleich: Wird als Messlatte ein langfristiger, investiver Realzins entsprechend dem realen (!) Wachstum – also 1,5 Prozent pro Jahr – unterstellt und dazu die Inflation von 2,5 Prozent addiert, um zum nominalen Zins zu gelangen, dann läge die langfristige, nominale (!) Rendite eigentlich bei 4 Prozent statt bei 2 Prozent. Von finanzieller Repression konnte also unverändert gesprochen werden. Weitere Beispiele folgen...

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