Jüngere Familien und (angehende) Rentner von WoKri besonders betroffen.
Finanzierungen oft problematisch.
Der
Besitz von Immobilien soll gerade im Alter Sicherheit bieten. Dieser Satz ist
so leider nicht richtig. Denn Sicherheit im Alter bietet in der Tat nur
schuldenfreier Immobilienbesitz. Dennoch wurden über Jahrzehnte
Immobilienfinanzierungen weniger auf die Rückführung des Darlehens ausgelegt
als auf die Reduzierung der monatlichen Belastung. Schließlich waren (und sind
es zu einem Teil noch) Banken an der Vermittlung von Immobiliendarlehen
interessiert. Und mit vertretbaren monatlichen Belastungen lassen sich eben
mehr Kunden gewinnen.
Wohnimmobilienkreditrichtlinie
Geht
es nach dem Willen der Bundesregierung soll damit nun Schluss sein.
Gleichzeitig soll verhindert werden, dass sich zu viele Menschen durch Immobilienerwerb
zu sehr verschulden. Eine neue EU-Richtlinie – die
Wohnimmobilienkreditrichtlinie – soll dies nun vermeiden helfen. Sie ist seit
dem 21. März in Kraft und hat gravierende Auswirkungen bei Neuabschlüssen von
Darlehen wie auch bei Anschlussfinanzierungen, den sogenannten Prolongationen. Gerade
jüngere Familien und ältere Menschen sind dabei besonders betroffen. Denn,
vermutlich etwas unüberlegt, wurde die europäische Vorgabe zur Umsetzung in
deutsches Recht äußerst scharf „übersetzt“. So sieht diese einige grundlegende Änderungen zur bisherigen
Finanzierungspraxis vor. Zunächst einmal gilt grundsätzlich, dass sich die
Kreditvergabe - neben der persönlichen Bonität - seit diesem Stichtag nicht
mehr am Wert der Immobilie bzw. deren Wertsteigerungspotential orientiert, sondern
ausschließlich am persönlichen Leistungsvermögen des Kreditnehmers. Für einen
Kreditsuchenden heißt das, dass beispielsweise abgezahltes Immobilienvermögen
und die Möglichkeit, dieses mit Gewinn verkaufen zu können, keine Rolle bei der
Bonitätsermittlung mehr spielt, sondern faktisch nur noch das Einkommen und die
spätere Rente herangezogen werden.
Umsetzung in der Praxis
Um die Banken zu einer
strengen Umsetzung der Richtlinie anzuhalten, wurde zusätzliches
„Druckpotential“ aufgebaut. So heißen: Kann der Kreditnehmer – aus welchen
Gründen auch immer – zu einem späteren Zeitpunkt nachweisen, dass er den Kredit
eigentlich gar nicht hätte bekommen dürfen, muss die Bank diesen unter vollem
Haftungsanspruch des Kreditnehmers rückabwickeln. Dies zieht für die
Bankenlandschaft gravierendes Haftungspotential nach sich und wird schließlich
dazu führen, dass Kredite eher nicht gegeben werden, wenn sich die Bank nicht
absolut sicher ist. Für jüngere Familie heißt das, dass ab sofort alle
Eventualitäten als mögliche Belastungen berücksichtigt werden. Auf der anderen
Seite fällt die bisher mögliche persönliche Einschätzung des Kreditgebers weg.
Ein Beispiel: Ein junges Paar mit Kindern kann nicht mehr geltend machen, dass
beide Partner wieder arbeiten werden, wenn die übliche Zeit des
Erziehungsurlaubs vorbei ist und derzeit nur ein Lebenspartner seinem Beruf
nachgeht. Die Bank wird zudem den möglichen Wegfall von Kindergeld als
Risikofaktor bewerten, wenn dies in den Finanzierungszeitraum fällt. In der
Folge, so wird bereits jetzt hinter vorgehaltener Hand bestätigt, sinken die
Chancen von „Risikozielgruppen“ deutlich. Anders ausgedrückt brachte es der
Mitarbeiter eines Sparkasse deutlich auf den Punkt: „Mussten wir früher einen
von fünf Anträgen ablehnen, ist es derzeit eher einer von fünf Anträgen, die
wir annehmen.“ Dies mag, wenn sich die Bankenwelt an die Wohnimmobilienkreditrichtlinie
gewöhnt hat, künftig wieder anders aussehen. Derzeit scheint es Realität zu
sein.
Besonders schwere Ausgangsbasis für angehende Rentner
Während bei der zuvor
beschriebenen Situation für die Zielgruppe der jüngeren Familien das „Problem
Finanzierung“ auf die Zukunft gerichtet ist, was zwar unangenehm aber noch
nicht mit Konsequenzen verbunden ist, trifft es die Zielgruppe der Kreditnehmer,
die eine Anschlussfinanzierung suchen, dann besonders hart, wenn der gewünschte
Kredit in die Zeit nach dem erwarteten Renteneintritt fällt. Denn anders als
bislang, muss dann nur die Rente dafür ausreichen, Zins und Tilgung zu
bedienen. Und es kommt noch schlimmer. Denn der Gesetzgeber sieht auch vor,
dass Immobilienfinanzierungen seit Einführung der WoKri grundsätzlich nur noch
bis zum Rentenbeginn (rechnerisch derzeit 67 Jahren) laufen sollten. Es gibt
zwar Ausnahmen, hierfür gelten aber strenge Vorgaben - und die Finanzierung
wird deutlich teurer! Die Ausnahme kann zudem nur für sich in Anspruch nehmen,
wer eine weitere Hürde nimmt. Für die Ermittlung des Anspruchs auf ein Darlehen
gibt es nämlich zwei grundsätzliche Prämissen: Zunächst wird die
maximale Finanzierungsdauer
auf den Zeitraum zwischen dem Eintritt der Rente und der statistischen Lebenserwartung
abgestellt. In diesem Zeitraum muss die Finanzierung zurückgeführt sein. Das
heißt aber auch im Umkehrschluss, dass die monatliche Belastung für die Tilgung
in der Regel deutlich steigt. Bei der Ermittlung des Anspruchs werden zudem
nicht die aktuell günstigen Finanzierungskonditionen unterstellt, sondern ein
sogenannter Durchschnittszins, der zwischen 5-6 Prozent pro Jahr liegt. Nur wer
dabei in der Lage ist, mit seiner monatlichen Rente sowohl die höheren
Tilgungen als auch die unangemessen hohen Finanzierungskosten zu leisten, kann
dabei überhaupt auf eine Kreditzusage hoffen. Viele angehende Rentner dürften
diesen Anspruch nicht mehr erreichen und es ist davon auszugehen, dass in der
Folge viele von ihnen ihr Haus oder ihre Wohnungen verkaufen müssen.
Der Autor Michael Oehme ist
Consultant bei der CapitalPR AG, Sankt Gallen.