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Mittwoch, 7. August 2013

(Immobilienbrief Nr. 300 ) Mittelstandsanlagen und Immobilienanleihen – Attraktive Chance oder Debakel wie beim Neuen Markt?



Immobilienbrief Nr. 300
Dieser Beitrag wurde mit Zustimmung der Verantwortlichen des Immobilienbriefes entnommen und darf hier veröffentlicht werden.


Univ.-Prof. Dr. Karl-Georg Loritz, Bayreuth, Steuerberater

Mittelstandsanlagen und Immobilienanleihen –
Attraktive Chance oder Debakel wie beim Neuen Markt?

  1. Teil: Börsennotierte Mittelstandsanleihen als neue Asset-Klasse

Die Krise des Neuen Marktes liegt gut 10 Jahre zurück. Vergessen scheint, dass der damaligen Euphorie der Verlust von Anlegergeldern in Milliardenhöhe gefolgt ist. Nachdem Banken bei der Kreditvergabe u.a. auch an mittelständische Unter­nehmen zunehmend zurückhaltender sind und bei fehlender Eigenkapital­unterlegung und Absicherung, manche Finanzierungen nicht mehr gewähren, scheinen Mittelstandsanleihen die neue Hoffnung zu sein. Seit gut drei Jahren konnten mehr als 80 Unternehmen Anleihen im Gesamtvolumen von mehr als 3,5 Milliarden Euro an den Börsen Stuttgart, Frankfurt, Düsseldorf, Hamburg/Hannover und München platzieren. Während so mancher offene Fonds an Bankschaltern um Kunden kämpft und geschlossene Fonds zum Teil über­haupt nicht mehr platziert werden können, werden Mittelstandsanleihen über Zig-Millionen Euro in wenigen Stunden platziert.

Die künstliche Absenkung der Zinsen, bewusst verursacht durch die Flutung der Märkte mit Geld seitens der US-amerikanischen Notenbank und der europäischen Zentralbank, bringt immer mehr institutionelle Anleger in einen wahren Notstand. Auf welchem Wege sollen z.B. Stiftungen noch die Erträge erzielen, die sie benötigen, um die laufenden Kosten und die Aufgaben, von denen sie sich nicht kurzfristig lösen können, zu erfüllen? Mittelstandsanleihen mit Zinsen zwischen 6 und 9 % scheinen hochwillkommen. Den für die Anlage auf Investorenseite Verantwortlichen reichen zum Teil Ratings mit BB ausreichend und dies, obwohl derartige Rating ein durchaus hohes Ausfallrisiko signalisieren.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Ich erachte gerade nach Auslaufen der ge­schlossenen Fonds bisheriger Prägung Anleihen als ein bewährtes und leicht verständliches Instrument zur Finanzierung auch mittelständischer Unternehmen. Das Geld ist flexibel ein­setz­bar und die Voraussetzungen der Börsenzulassung einschließlich der Prospektierung zwingen die emittierenden Unternehmen, ihre Unternehmensphilosophie offen zu legen. Sicherheit bringt dies den Anlegern aber nicht; denn durch einen Prospekt wird nicht die Qualität einer Kapitalanlage besser, sondern nur die Transparenz erhöht. Ist das Geld erst einmal „eingesammelt“, so können, wenn es keine sehr konkrete Zweckbindung gibt, die Manager mit dem Geld im Grunde machen, was sie wollen. Mit dem Geld wird also keineswegs zwingend ein zusätzliches ertragreiches Investment getätigt oder gar ein unternehmerisch neues Segment erschlossen. Zum Teil wird das Geld dringend sogar benötigt, um fällige, von der Bank nicht verlängerte Kredite, zurückzuführen, andere Gläubiger zu bedienen oder sonstige Verbindlichkeiten zu tilgen. Bei der Verwendung des Geldes sind die Manager freier als bei einem „Blindpool“, bei dem wenigstens die Art der Anlage­gegenstände und damit der ungefähre Weg, auf dem die versprochenen Zinsen und die für die Rückzahlung des Anlegergeldes benötigten Mittel erwirtschaftet werden sollen, feststeht.

Mittelstandsanleihen darf man bezüglich der Sicherheit auch nicht mit Anleihen von Großkonzernen verwechseln. Rechtlich gleichen sich die Anleihen zwar, faktisch freilich oftmals nicht. Die Deutsche Bank und nicht einmal die Commerzbank können derzeit faktisch in die Insolvenz gehen, denn hier greift der Staat rettend ein. Drohte einem großen deutschen Automobilhersteller einer Premiummarke die Insol­venz, so würde er von einem anderen aufgekauft. In dieser bevorzugten Situation befinden sich mittelständische Unternehmer nicht. Im Insolvenzfall ist das Geld der Anleger verloren. Selbst „nicht systemische“ große Unternehmen wie Philipp & Holzmann AG und Arcandor AG können insolvent werden, die Insolvenz mittelständischer Unternehmen interessiert die Politik ohnehin nicht.

Realistischer Weise muss sich der Anleger, sofern es sich nicht um Anleihen erst­klassiger Unternehmen handelt, die klare Frage stellen: Besteht die Bereitschaft, für 5% oder auch 8 % Zinsen den Verlust des eingesetzten Kapitals zu riskieren? Für mich gilt, dass auch solche Zinsen das Risiko des Vermögensverlustes nicht recht­fertigen. Oftmals in das Vermögen besser mit wenig Zinsen, dafür aber sicher angelegt als bei manchem mit BB gerateten Unternehmen zu 8 % mit allen Risiken.

Vor wenigen Jahren und noch ehe Mittelstandsanleihen an den Börsen Konjunktur hatten, begannen kleine und mittlere Immobilienunternehmen Immobilienanleihen zu emittieren. Die entscheidende Frage bei ihnen ist: Sind sie so konzipiert, dass dem Anleger im Insolvenzfall der Zugriff auf die Substanz der Immobilien möglich ist?
Oder ist das Wort „Anleihe“ Etikettenschwindel?

Dazu Teil 2 im nächsten Immobilienbrief.

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