Donnerstag, 29. September 2016

Wohnimmobilienkreditrichtlinie (WoKri) und dessen Umsetzung im Alltag

Jüngere Familien und (angehende) Rentner von WoKri besonders betroffen. Finanzierungen oft problematisch.

Der Besitz von Immobilien soll gerade im Alter Sicherheit bieten. Dieser Satz ist so leider nicht richtig. Denn Sicherheit im Alter bietet in der Tat nur schuldenfreier Immobilienbesitz. Dennoch wurden über Jahrzehnte Immobilienfinanzierungen weniger auf die Rückführung des Darlehens ausgelegt als auf die Reduzierung der monatlichen Belastung. Schließlich waren (und sind es zu einem Teil noch) Banken an der Vermittlung von Immobiliendarlehen interessiert. Und mit vertretbaren monatlichen Belastungen lassen sich eben mehr Kunden gewinnen.

Wohnimmobilienkreditrichtlinie

Geht es nach dem Willen der Bundesregierung soll damit nun Schluss sein. Gleichzeitig soll verhindert werden, dass sich zu viele Menschen durch Immobilienerwerb zu sehr verschulden. Eine neue EU-Richtlinie – die Wohnimmobilienkreditrichtlinie – soll dies nun vermeiden helfen. Sie ist seit dem 21. März in Kraft und hat gravierende Auswirkungen bei Neuabschlüssen von Darlehen wie auch bei Anschlussfinanzierungen, den sogenannten Prolongationen. Gerade jüngere Familien und ältere Menschen sind dabei besonders betroffen. Denn, vermutlich etwas unüberlegt, wurde die europäische Vorgabe zur Umsetzung in deutsches Recht äußerst scharf „übersetzt“. So sieht diese einige grundlegende Änderungen zur bisherigen Finanzierungspraxis vor. Zunächst einmal gilt grundsätzlich, dass sich die Kreditvergabe - neben der persönlichen Bonität - seit diesem Stichtag nicht mehr am Wert der Immobilie bzw. deren Wertsteigerungspotential orientiert, sondern ausschließlich am persönlichen Leistungsvermögen des Kreditnehmers. Für einen Kreditsuchenden heißt das, dass beispielsweise abgezahltes Immobilienvermögen und die Möglichkeit, dieses mit Gewinn verkaufen zu können, keine Rolle bei der Bonitätsermittlung mehr spielt, sondern faktisch nur noch das Einkommen und die spätere Rente herangezogen werden.

Umsetzung in der Praxis

Um die Banken zu einer strengen Umsetzung der Richtlinie anzuhalten, wurde zusätzliches „Druckpotential“ aufgebaut. So heißen: Kann der Kreditnehmer – aus welchen Gründen auch immer – zu einem späteren Zeitpunkt nachweisen, dass er den Kredit eigentlich gar nicht hätte bekommen dürfen, muss die Bank diesen unter vollem Haftungsanspruch des Kreditnehmers rückabwickeln. Dies zieht für die Bankenlandschaft gravierendes Haftungspotential nach sich und wird schließlich dazu führen, dass Kredite eher nicht gegeben werden, wenn sich die Bank nicht absolut sicher ist. Für jüngere Familie heißt das, dass ab sofort alle Eventualitäten als mögliche Belastungen berücksichtigt werden. Auf der anderen Seite fällt die bisher mögliche persönliche Einschätzung des Kreditgebers weg. Ein Beispiel: Ein junges Paar mit Kindern kann nicht mehr geltend machen, dass beide Partner wieder arbeiten werden, wenn die übliche Zeit des Erziehungsurlaubs vorbei ist und derzeit nur ein Lebenspartner seinem Beruf nachgeht. Die Bank wird zudem den möglichen Wegfall von Kindergeld als Risikofaktor bewerten, wenn dies in den Finanzierungszeitraum fällt. In der Folge, so wird bereits jetzt hinter vorgehaltener Hand bestätigt, sinken die Chancen von „Risikozielgruppen“ deutlich. Anders ausgedrückt brachte es der Mitarbeiter eines Sparkasse deutlich auf den Punkt: „Mussten wir früher einen von fünf Anträgen ablehnen, ist es derzeit eher einer von fünf Anträgen, die wir annehmen.“ Dies mag, wenn sich die Bankenwelt an die Wohnimmobilienkreditrichtlinie gewöhnt hat, künftig wieder anders aussehen. Derzeit scheint es Realität zu sein.

Besonders schwere Ausgangsbasis für angehende Rentner

Während bei der zuvor beschriebenen Situation für die Zielgruppe der jüngeren Familien das „Problem Finanzierung“ auf die Zukunft gerichtet ist, was zwar unangenehm aber noch nicht mit Konsequenzen verbunden ist, trifft es die Zielgruppe der Kreditnehmer, die eine Anschlussfinanzierung suchen, dann besonders hart, wenn der gewünschte Kredit in die Zeit nach dem erwarteten Renteneintritt fällt. Denn anders als bislang, muss dann nur die Rente dafür ausreichen, Zins und Tilgung zu bedienen. Und es kommt noch schlimmer. Denn der Gesetzgeber sieht auch vor, dass Immobilienfinanzierungen seit Einführung der WoKri grundsätzlich nur noch bis zum Rentenbeginn (rechnerisch derzeit 67 Jahren) laufen sollten. Es gibt zwar Ausnahmen, hierfür gelten aber strenge Vorgaben - und die Finanzierung wird deutlich teurer! Die Ausnahme kann zudem nur für sich in Anspruch nehmen, wer eine weitere Hürde nimmt. Für die Ermittlung des Anspruchs auf ein Darlehen gibt es nämlich zwei grundsätzliche Prämissen: Zunächst wird die
maximale Finanzierungsdauer auf den Zeitraum zwischen dem Eintritt der Rente und der statistischen Lebenserwartung abgestellt. In diesem Zeitraum muss die Finanzierung zurückgeführt sein. Das heißt aber auch im Umkehrschluss, dass die monatliche Belastung für die Tilgung in der Regel deutlich steigt. Bei der Ermittlung des Anspruchs werden zudem nicht die aktuell günstigen Finanzierungskonditionen unterstellt, sondern ein sogenannter Durchschnittszins, der zwischen 5-6 Prozent pro Jahr liegt. Nur wer dabei in der Lage ist, mit seiner monatlichen Rente sowohl die höheren Tilgungen als auch die unangemessen hohen Finanzierungskosten zu leisten, kann dabei überhaupt auf eine Kreditzusage hoffen. Viele angehende Rentner dürften diesen Anspruch nicht mehr erreichen und es ist davon auszugehen, dass in der Folge viele von ihnen ihr Haus oder ihre Wohnungen verkaufen müssen.

Der Autor Michael Oehme ist Consultant bei der CapitalPR AG, Sankt Gallen.


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