Finanzskandale sind kein Phänomen des 21. Jahrhunderts. Erinnern Sie sich an den Skandal um den Getränkekonzern Guinness, der die Londoner Finanzwelt erschütterte?
In den achtziger Jahren galt Ernst Saunders als Prototyp des ambitionierten
und gleichzeitig fähigem Managers auf der britischen Insel. Als er 1981 seinen
Posten als Chef der Guinness-Brauerei antrat, war das britisch-irische
Unternehmen ein unbedeutender Bierproduzent mit gerade einmal 100 Millionen
Pfund Umsatz, dessen Geschäfte zusehend schlechter liefen. Saunders jedoch
machte daraus ein weltweit operierendes Getränkeimperium in Milliardengröße,
indem er alle nicht zum Kernbereich gehörenden Aktivitäten abstieß, den
Bierabsatz belebte und sich bei anderen Spirituosen- und Getränkeherstellern
einkaufte. 1996 hatte es Saunders auf den schottischen Whiskey- und Ginbrenner
Distillers Company abgesehen. Der Deal sollte die Krönung seiner Karriere
werden und Guinness zu einem der bedeutendsten Getränkekonzerne der Welt
machen. Zeitgleich jedoch bot die schottische Supermarktkette Argyll für die
Aktien der börsennotierten Distillers Company. Mithilfe der beiden Banken
Morgan Grenfell und Henry Ansbacher nahm Saunders Kontakt zu einflussreichen
und vor allem kapitalkräftigen Geschäftsleuten der Londoner City auf. Die
Bündnispartner von Saunders sollten im großen Stil Guinness-Aktien kaufen, da
das Guinness-Kaufangebot für Distillers neben einer Barabfindung auch einen
Aktientausch vorsahen. Je höher also der Aktienkurs von Guinness stieg, desto
lukrativer sah dieser Tausch für die Distillers-Aktionäre aus. Die
Kursmanipulation funktionierte und Distillers nahm das Angebot von Saunders an,
welches einem Kaufpreis von 2,7 Milliarden Pfund entsprach.
Der Guinness-Chef konnte sich nicht lange im Glanz seines Erfolges sonnen: Ivan
Boesky, der als Inside-Dealer entlarvte amerikanische Aktienspekulant, war die
undichte Stelle und die britische Justiz begann ihre Ermittlungen. In einem der
größten Prozesse der britischen Finanzgeschichte kam ans Tageslicht, dass das
Guinness-Management zusätzlich zur Kursmanipulation auch noch einige
Distillers-Aktionären heimlich einen höheren Preis für ihre Anleihe gezahlt und
somit gegen die Übernahmeregeln verstoßen hatten. Saunders wurde zusammen mit
drei Mitangeklagten, in insgesamt zwölf Punkten für schuldig befunden- unter
anderem Diebstahl, Verschwörung und Buchfälschung- und zu einer fünfjährigen
Freiheitsstrafe verurteilt. Saunders selbst sah sich nie im Unrecht, sondern
als Opfer einer Verschwörung von früheren Vorstandskollegen, Mitgliedern der
Guinness-Familie, Politikern, Anwälten und Bankern.
By VL/ Michael Oehme
By VL/ Michael Oehme
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